Derivate
Samstag, 28. Februar 2009, 21:42
Es gibt drei Faktoren, die für Finanz- und Wirtschaftskrise verantwortlich zeichnen.
Auf individueller Ebene sind das die Investmentbanker. Wenn aus dieser Gruppe auch nur wenige so verbrecherisch gehandelt haben, daß sie strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können, so haben doch alle Investmentbanker aus übermäßiger Profitgier aktiv und wissentlich in einem System mitgearbeitet, das finanzielle Profite entkoppelt hat von nach- und substanzhaltiger Entwicklung echter Wirtschaftskraft. So individuell fragwürdig es aber auch ist, seine Lebensarbeitszeit einem solchen System zu widmen, so wenig hilfreich ist es, gesellschaftspolitisch mit dem Finger auf die bösen Investmentbanker zu zeigen: Sie sind nicht mehr als ein Symptom für Schwächen im System, die reformiert werden müssen.
Auf gesellschaftlicher Ebene ist (besonders stark in angelsächsischen Räumen) der Konsumethos hervorzuheben. So beschönigend es klingen mag, handelt es sich um die größte Gefahr für unsere globale Volkswirtschaft: Ein Gesellschaftsethos, wonach der schuldenfinanzierte Konsum nicht nur toleriert, sondern geradezu gefördert wird, ist deswegen so unbeschränkt gefährlich, weil er regulativ kaum zu kontrollieren ist. Ich spreche von Konsumethos und nicht von Konsumterror, weil der Genuß und die Lust am Konsum und die Abneigung gegen Sparsamkeit in unseren Mediengesellschaften als ethisch vertretbare Haltungen gesehen werden. Wer von Konsumterror spricht, will damit typischerweise nur die eigene Konsumlust kaschieren, in dem er Dritten oder dem System dafür die Schuld gibt.
Auf finanztechnischer Ebene sind das die sogenannten Derivate. Warren Buffet hat sie zu Recht vor einigen Jahren als Massenvernichtungswaffen bezeichnet ( http://www.valueinvesting.de/aktionaersbrief-2002-08.htm ). Während diese „Weapons of Mass Desctruction“ sich in der jetzigen Krise in einem schlimmen Ausmaß materialisiert haben, halte ich sie für langfristig für kontrollier- und regulierbar. Wie im Beitrag „Was ist Investmentbanking?“ ( http://exbanker.blogger.de/stories/1344829/ ) angekündigt, möchte ich einen Versuch wagen, Entstehung und Natur von Derivaten einmal so zu erklären, daß sie auch von Nicht-Investmentbankern verstanden werden können.
Wie das Wort schon sagt, handelt es sich bei Derivaten um Abwandlungen oder Variationen von „echten Dingen“. Bei diesen „echten Dingen“ handelte es sich auf den Märkten ursprünglich um Aktien (also Unternehmensanteile), Anleihen (Schuldverschreibungen von Staaten oder Unternehmen), Rohstoffe (Getreide, Kupfer, Öl etc.) und Devisen (Währungen).
Fast alle Firmen dieser Welt müssen Themen managen, die ihrer Kontrolle unterliegen, aber werden auch von Themen beeinflusst, die sich nicht kontrollieren können. Firmen können die Effizienz ihrer Produktionsprozesse managen, und wie gut das Brot schmeckt, das sie backen. Aber sie haben keinen Einfluß darauf, wie viel das Getreide kostet, das sie im nächsten Jahr kaufen müssen. Und selbst wenn sie wissen, wieviel U.S.-Dollar sie im nächsten Jahr für das Getreide ausgeben müssen, weil sie feste Verträge vereinbart haben, wissen sie immer noch nicht, wie viel Euros sie dafür ausgeben werden, weil sie nicht wissen wie sich die Wechselkurse entwicken.
Und weil viele dieser Firmen zu Investmentbankern gegangen sind mit der Bitte, ihnen bei der Absicherung gegen diese Unwägbarkeiten zu helfen, haben diese Investmentbanken Instrumente dafür erfunden. Wenn also Finanzvorstand Franz sichergehen wollte, daß er auch im nächsten Jahr für 1 Million Euros 1,3 Million Dollar kaufen kann, hat die Bank ihm einen „Future Contract“ (oder kurz: „Future“) angeboten. Dafür musste Franz vielleicht 4% zahlen, d.h. in diesem Fall 40.000 Euro. Aber das war es ihm wert, weil er sich so vor dem Risiko geschützt hat, das der Dollar im nächsten Jahr um mehr als 4% teurer würde. Mit diesem Instrument konnten die Finanzvorstände ihre Budgets besser planen, und die Firmen stabilisieren. Dieses Instrument war also durchaus im Interesse aller Beteiligten, einschließlich der Arbeitnehmer. Es war wie eine Versicherung gegen Feuer oder ein anderes ungeplantes Ereignis, was eine Firma zerstören kann, wenn sie sich nicht geschützt hat.
Wie aber kam dieser Preis von 4% zustande? In einem freien transparenten Markt, sollte dieser Preis die Wahrscheinlichkeit widerspiegeln, daß es tatsächlich zu dieser Teuerung des U.S. Dollars kommt. Mit dieser Wahrscheinlichkeit meine ich natürlich nicht die echte, objektive Wahrscheinlichkeit, sondern die Wahrscheinlichkeit, die die jeweils subjektiv handelnden Marktteilnehmer im Durchschnitt dieser Teuerung zuschreiben. Diese Zuschreibung kommt dadurch zustande, daß andere Marktteilnehmer damit Geld verdienen könnten, wenn der Dollar um mehr als 4% steigt. Sie könnten dann mit ihren U.S. Dollars mehr Euros kaufen. Darauf schließen sie dann eine Wette ab. Und das Risiko, das sie mit dieser Wette eingehen, bestimmt die Prämie, mit der Finanzvorstand Franz sich gegen die Dollarteuerung absichert.
Am freien Markt bedeutet Preisbildung von Derivaten also immer eine wechselseitige Beziehung. Auf der einen Seite fürchtet sich einer vor dem Eintritt eines Ereignisses und zahlt eine Prämie dafür, um sich davor zu beschützen, auf der anderen Seite spekuliert jemand auf den Eintritt eines Ereignisses, und zahlt einen Wetteinsatz, um dann bei Ereigniseintritt davon zu profitieren. Prämie und Wetteinsatz sind voneinander abhängig.
So können Unternehmen sich davor schützen, daß Rohstoffe teurer werden, während anderer davon profitieren, wenn sie billiger werden, und Im- und Export-lastige Unternehmen können sich vor Währungsrisiken schützen.
Fortsetzung folgt.
Auf individueller Ebene sind das die Investmentbanker. Wenn aus dieser Gruppe auch nur wenige so verbrecherisch gehandelt haben, daß sie strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können, so haben doch alle Investmentbanker aus übermäßiger Profitgier aktiv und wissentlich in einem System mitgearbeitet, das finanzielle Profite entkoppelt hat von nach- und substanzhaltiger Entwicklung echter Wirtschaftskraft. So individuell fragwürdig es aber auch ist, seine Lebensarbeitszeit einem solchen System zu widmen, so wenig hilfreich ist es, gesellschaftspolitisch mit dem Finger auf die bösen Investmentbanker zu zeigen: Sie sind nicht mehr als ein Symptom für Schwächen im System, die reformiert werden müssen.
Auf gesellschaftlicher Ebene ist (besonders stark in angelsächsischen Räumen) der Konsumethos hervorzuheben. So beschönigend es klingen mag, handelt es sich um die größte Gefahr für unsere globale Volkswirtschaft: Ein Gesellschaftsethos, wonach der schuldenfinanzierte Konsum nicht nur toleriert, sondern geradezu gefördert wird, ist deswegen so unbeschränkt gefährlich, weil er regulativ kaum zu kontrollieren ist. Ich spreche von Konsumethos und nicht von Konsumterror, weil der Genuß und die Lust am Konsum und die Abneigung gegen Sparsamkeit in unseren Mediengesellschaften als ethisch vertretbare Haltungen gesehen werden. Wer von Konsumterror spricht, will damit typischerweise nur die eigene Konsumlust kaschieren, in dem er Dritten oder dem System dafür die Schuld gibt.
Auf finanztechnischer Ebene sind das die sogenannten Derivate. Warren Buffet hat sie zu Recht vor einigen Jahren als Massenvernichtungswaffen bezeichnet ( http://www.valueinvesting.de/aktionaersbrief-2002-08.htm ). Während diese „Weapons of Mass Desctruction“ sich in der jetzigen Krise in einem schlimmen Ausmaß materialisiert haben, halte ich sie für langfristig für kontrollier- und regulierbar. Wie im Beitrag „Was ist Investmentbanking?“ ( http://exbanker.blogger.de/stories/1344829/ ) angekündigt, möchte ich einen Versuch wagen, Entstehung und Natur von Derivaten einmal so zu erklären, daß sie auch von Nicht-Investmentbankern verstanden werden können.
Wie das Wort schon sagt, handelt es sich bei Derivaten um Abwandlungen oder Variationen von „echten Dingen“. Bei diesen „echten Dingen“ handelte es sich auf den Märkten ursprünglich um Aktien (also Unternehmensanteile), Anleihen (Schuldverschreibungen von Staaten oder Unternehmen), Rohstoffe (Getreide, Kupfer, Öl etc.) und Devisen (Währungen).
Fast alle Firmen dieser Welt müssen Themen managen, die ihrer Kontrolle unterliegen, aber werden auch von Themen beeinflusst, die sich nicht kontrollieren können. Firmen können die Effizienz ihrer Produktionsprozesse managen, und wie gut das Brot schmeckt, das sie backen. Aber sie haben keinen Einfluß darauf, wie viel das Getreide kostet, das sie im nächsten Jahr kaufen müssen. Und selbst wenn sie wissen, wieviel U.S.-Dollar sie im nächsten Jahr für das Getreide ausgeben müssen, weil sie feste Verträge vereinbart haben, wissen sie immer noch nicht, wie viel Euros sie dafür ausgeben werden, weil sie nicht wissen wie sich die Wechselkurse entwicken.
Und weil viele dieser Firmen zu Investmentbankern gegangen sind mit der Bitte, ihnen bei der Absicherung gegen diese Unwägbarkeiten zu helfen, haben diese Investmentbanken Instrumente dafür erfunden. Wenn also Finanzvorstand Franz sichergehen wollte, daß er auch im nächsten Jahr für 1 Million Euros 1,3 Million Dollar kaufen kann, hat die Bank ihm einen „Future Contract“ (oder kurz: „Future“) angeboten. Dafür musste Franz vielleicht 4% zahlen, d.h. in diesem Fall 40.000 Euro. Aber das war es ihm wert, weil er sich so vor dem Risiko geschützt hat, das der Dollar im nächsten Jahr um mehr als 4% teurer würde. Mit diesem Instrument konnten die Finanzvorstände ihre Budgets besser planen, und die Firmen stabilisieren. Dieses Instrument war also durchaus im Interesse aller Beteiligten, einschließlich der Arbeitnehmer. Es war wie eine Versicherung gegen Feuer oder ein anderes ungeplantes Ereignis, was eine Firma zerstören kann, wenn sie sich nicht geschützt hat.
Wie aber kam dieser Preis von 4% zustande? In einem freien transparenten Markt, sollte dieser Preis die Wahrscheinlichkeit widerspiegeln, daß es tatsächlich zu dieser Teuerung des U.S. Dollars kommt. Mit dieser Wahrscheinlichkeit meine ich natürlich nicht die echte, objektive Wahrscheinlichkeit, sondern die Wahrscheinlichkeit, die die jeweils subjektiv handelnden Marktteilnehmer im Durchschnitt dieser Teuerung zuschreiben. Diese Zuschreibung kommt dadurch zustande, daß andere Marktteilnehmer damit Geld verdienen könnten, wenn der Dollar um mehr als 4% steigt. Sie könnten dann mit ihren U.S. Dollars mehr Euros kaufen. Darauf schließen sie dann eine Wette ab. Und das Risiko, das sie mit dieser Wette eingehen, bestimmt die Prämie, mit der Finanzvorstand Franz sich gegen die Dollarteuerung absichert.
Am freien Markt bedeutet Preisbildung von Derivaten also immer eine wechselseitige Beziehung. Auf der einen Seite fürchtet sich einer vor dem Eintritt eines Ereignisses und zahlt eine Prämie dafür, um sich davor zu beschützen, auf der anderen Seite spekuliert jemand auf den Eintritt eines Ereignisses, und zahlt einen Wetteinsatz, um dann bei Ereigniseintritt davon zu profitieren. Prämie und Wetteinsatz sind voneinander abhängig.
So können Unternehmen sich davor schützen, daß Rohstoffe teurer werden, während anderer davon profitieren, wenn sie billiger werden, und Im- und Export-lastige Unternehmen können sich vor Währungsrisiken schützen.
Fortsetzung folgt.
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Hierarchien im M&A-Investmentbanking
Montag, 23. Februar 2009, 14:01
Investmentbankingabteilungen im Bereich M&A kennen typischerweise 5 Hierarchiestufen: Managing Director, Director, Vice President, Associate, Analyst. Normalerweise braucht man 3 Jahre um von einer Stufe in die nächste aufzusteigen. Die Titel klingen deswegen so wohl, weil den Kunden Erfahrenheit und Seniorität vorgegaukelt werden soll. Deswegen sind manche Firmen auch dazu übergegangen, Associates ein "Senior Associate" auf die Visitenkarte zu schreiben, und Analysten ein "Associate". Dabei sind Analysten häufig kaum 22 Jahre alt.
Analysten sind die Sklaven. Sie haben keine eigene Meinung, bzw. wenn sie eine haben, interessiert sich keiner dafür. Sie haben typischerweise folgende Tätigkeitsfelder: Recherchieren und Vergleichen von vergangenen Transaktionen, Erstellen und Betreuen von absurd komplexen Excel-Finanzmodellen (in denen nach Möglichkeit alle Details und Konsequenzen einer Transaktion abgebildet weren sollen), Analyse und Vergleich der verschiedenen Research Reports über eine Firma, und Aufbereitung dieser ganzen Arbeiten in hochglänzenden Powerpoint Präsentationen. Von Analysten wird erwartet, daß sie 100 Stunden oder mehr pro Woche arbeiten. Diese Arbeitszeiten ergeben sich aus dem Anforderungsprofil: Es geht nicht darum, die stündliche Leistung zu maximieren, denn dann würden vernünftige Pausen und Erholungszeiten sicher den Output verbessern. Sondern es geht um die Maximierung des täglichen und wöchentlichen Outputs. Da die Präsentationen häufig abends in Auftrag gegeben werden und am nächsten Morgen fertig sein müssen, läßt sich Nachtarbeit nicht vermeiden. Und weil es zu lange dauern würde, wenn ein "Tagesschicht-Analyst" abends einen "Nachtschicht-Analysten" briefen müßte, um ihn auf den laufenden Projektstand zu bringen, gibt es eben nur "Rund-um-die-Uhr-Analysten." Burn-Out und Desozialisationssymptome sind die regelmäßige Folge. Im Gegenzug bekommen Analysten im Investmentbanking aber auch 100,000 Euro oder mehr und können sich darauf einen runterholen, daß die Früchte ihrer Arbeit von den Mächtigen dieser Welt gelesen werden.
Associates sind ebenfalls Sklaven; sie haben halt Untersklaven. Ihre Meinung interessiert ebenfalls keinen (außer die Untersklaven). Sie haben dasselbe Jobprofil wie Analysten, mit zwei Unterschieden. Erstens kann es passieren, daß sie direkten Kundenkontakt haben. Und zweitens werden sie in das Management von Transaktionsprozessen eingebunden. Dazu gehört die Koordination von Due Diligence (die Prüfung der zu kaufenden Firma durch Wirtschaftsprüfer, technische Ingenieure, Umweltgutachter, Rechtsanwälte, Unternehmensberater etc.) sowie die Koordination der Entwicklung und Ausverhandlung der Kauf- und sonstigen Verträge. Für alle diese Bereiche nutzen sie ihre Untersklaven allerdings auch gerne als überbezahlte und schnelltippende Schreibkraftassistenten. Die wöchentliche Arbeitszeit von Associates liegt bei 80 Stunden und mehr. Das heißt sie können sich stundenweise zum Schlaf / Sport / oder dem vergeblichen Versuch, ihr Sozialleben zu reparieren, aus dem Büro entfernen, so sie denn in Sachen Delegation ausreichend begabt sind und ihre Untersklaven gut funktionieren. Associates verdienen 200,000 Euro im Jahr und mehr.
Vice-Presidents und Directors sind die Sklaventreiber. Sie entscheiden, welche Präsentationen wann und wo vorzubereiten sind, wie sie aufgebaut sein sollen, und welche Sklaven und Untersklaven dafür jeweils eingesetzt werden. Sie lassen von ihren Sklaven grundsätzlich ein vielfaches von dem produzieren, was sie am Ende brauchen, weil die Zeit der Sklaven nichts wert ist, und sie so eine vermeintlich höhere Qualität erreichen. Sie sind während einer Transaktion die ganze Zeit in direktem Kontakt mit dem Kunden, mit den verschiedenen Berater-Teams, mit den Juristen, die die Verträge ausarbeiten, und mit der Gegenseite (dem Kaufobjekt, dem Käufer, dem Fusionspartner usw.). Der Stress ist so hoch, daß auch sie typischerweise nicht weniger als 70 Stunden arbeiten. Zwischen Directors und Vice-Presidents gibt es ebenfalls ein eindeutiges und versklavendes Abhängigkeitsverhältnis, das aber von außen nicht so sichtbar ist. Vice Presidents verdienen 400,000 Euro im Jahr oder mehr, Directors stoßen häufig in den einstelligen Millionenbereich vor.
Managing Directors haben es geschafft: Sie tragen für die von ihnen betreuten Firmenkunden und die von ihnen vorgeschlagenen Budgets die Verantwortung. Sie betreuen ihre Netzwerke und bauen sie bei sozialen Veranstaltungen aus. Sie versuchen, möglichst enge Beziehungen zu allen Finanzvorständen aufzubauen, die in der Branche aktiv sind, auf die sie sich spezialisiert haben. Ihr Jobprofil erstreckt sich eher auf die Acquise von Neugeschäft und die soziale Betreuung von Kunden während eines Prozesses, als auf die tatsächliche Steuerung des Prozesses (auch wenn sie nach außen so tun, als säßen sie auch hier im Fahrersitz). Dementsprechend sinken die wöchentlichen Bürostunden in dieser Hierarchiestufe auf 20-30. Allerdings wird noch mindestens die gleiche Anzahl von Stunden oder deutlich mehr auf Golfplätzen, Empfängen, Kongressen und Lunch- und Dinnerveranstaltungen verballert. Damit ist ihr Sozialleben genauso dysfunktional wie das ihrer Sklaven, Unter- und Unteruntersklaven, mit dem kleinen Unterschied, daß sie sich besser selbst betrügen könnten, sie hätten eins. Die Kompensation von Managing Directors ist zum größten Teil von ihrem persönlichen Erfolg abhängig und kann gerne auf viele Millionen jährlich hinauslaufen. Manchmal werden aber auch gigantische Kompensationen erfolgsunabhängig gezahlt, weil bestimmte Geschäftskunden in anderen Bereichen des Investmentbankings für viel Umsatz sorgen, und der jeweilige Managing Director mit dem Vorstand so gut befreundet ist und bei seinem Abwandern zu einer anderen Bank auch ein Abwandern des Kunden befürchtet wird. Bei der Deutschen Bank haben diverse Managing Directors im Investmentbanking aus solchen Gründen mehr verdient als Ackermann selbst.
Analysten sind die Sklaven. Sie haben keine eigene Meinung, bzw. wenn sie eine haben, interessiert sich keiner dafür. Sie haben typischerweise folgende Tätigkeitsfelder: Recherchieren und Vergleichen von vergangenen Transaktionen, Erstellen und Betreuen von absurd komplexen Excel-Finanzmodellen (in denen nach Möglichkeit alle Details und Konsequenzen einer Transaktion abgebildet weren sollen), Analyse und Vergleich der verschiedenen Research Reports über eine Firma, und Aufbereitung dieser ganzen Arbeiten in hochglänzenden Powerpoint Präsentationen. Von Analysten wird erwartet, daß sie 100 Stunden oder mehr pro Woche arbeiten. Diese Arbeitszeiten ergeben sich aus dem Anforderungsprofil: Es geht nicht darum, die stündliche Leistung zu maximieren, denn dann würden vernünftige Pausen und Erholungszeiten sicher den Output verbessern. Sondern es geht um die Maximierung des täglichen und wöchentlichen Outputs. Da die Präsentationen häufig abends in Auftrag gegeben werden und am nächsten Morgen fertig sein müssen, läßt sich Nachtarbeit nicht vermeiden. Und weil es zu lange dauern würde, wenn ein "Tagesschicht-Analyst" abends einen "Nachtschicht-Analysten" briefen müßte, um ihn auf den laufenden Projektstand zu bringen, gibt es eben nur "Rund-um-die-Uhr-Analysten." Burn-Out und Desozialisationssymptome sind die regelmäßige Folge. Im Gegenzug bekommen Analysten im Investmentbanking aber auch 100,000 Euro oder mehr und können sich darauf einen runterholen, daß die Früchte ihrer Arbeit von den Mächtigen dieser Welt gelesen werden.
Associates sind ebenfalls Sklaven; sie haben halt Untersklaven. Ihre Meinung interessiert ebenfalls keinen (außer die Untersklaven). Sie haben dasselbe Jobprofil wie Analysten, mit zwei Unterschieden. Erstens kann es passieren, daß sie direkten Kundenkontakt haben. Und zweitens werden sie in das Management von Transaktionsprozessen eingebunden. Dazu gehört die Koordination von Due Diligence (die Prüfung der zu kaufenden Firma durch Wirtschaftsprüfer, technische Ingenieure, Umweltgutachter, Rechtsanwälte, Unternehmensberater etc.) sowie die Koordination der Entwicklung und Ausverhandlung der Kauf- und sonstigen Verträge. Für alle diese Bereiche nutzen sie ihre Untersklaven allerdings auch gerne als überbezahlte und schnelltippende Schreibkraftassistenten. Die wöchentliche Arbeitszeit von Associates liegt bei 80 Stunden und mehr. Das heißt sie können sich stundenweise zum Schlaf / Sport / oder dem vergeblichen Versuch, ihr Sozialleben zu reparieren, aus dem Büro entfernen, so sie denn in Sachen Delegation ausreichend begabt sind und ihre Untersklaven gut funktionieren. Associates verdienen 200,000 Euro im Jahr und mehr.
Vice-Presidents und Directors sind die Sklaventreiber. Sie entscheiden, welche Präsentationen wann und wo vorzubereiten sind, wie sie aufgebaut sein sollen, und welche Sklaven und Untersklaven dafür jeweils eingesetzt werden. Sie lassen von ihren Sklaven grundsätzlich ein vielfaches von dem produzieren, was sie am Ende brauchen, weil die Zeit der Sklaven nichts wert ist, und sie so eine vermeintlich höhere Qualität erreichen. Sie sind während einer Transaktion die ganze Zeit in direktem Kontakt mit dem Kunden, mit den verschiedenen Berater-Teams, mit den Juristen, die die Verträge ausarbeiten, und mit der Gegenseite (dem Kaufobjekt, dem Käufer, dem Fusionspartner usw.). Der Stress ist so hoch, daß auch sie typischerweise nicht weniger als 70 Stunden arbeiten. Zwischen Directors und Vice-Presidents gibt es ebenfalls ein eindeutiges und versklavendes Abhängigkeitsverhältnis, das aber von außen nicht so sichtbar ist. Vice Presidents verdienen 400,000 Euro im Jahr oder mehr, Directors stoßen häufig in den einstelligen Millionenbereich vor.
Managing Directors haben es geschafft: Sie tragen für die von ihnen betreuten Firmenkunden und die von ihnen vorgeschlagenen Budgets die Verantwortung. Sie betreuen ihre Netzwerke und bauen sie bei sozialen Veranstaltungen aus. Sie versuchen, möglichst enge Beziehungen zu allen Finanzvorständen aufzubauen, die in der Branche aktiv sind, auf die sie sich spezialisiert haben. Ihr Jobprofil erstreckt sich eher auf die Acquise von Neugeschäft und die soziale Betreuung von Kunden während eines Prozesses, als auf die tatsächliche Steuerung des Prozesses (auch wenn sie nach außen so tun, als säßen sie auch hier im Fahrersitz). Dementsprechend sinken die wöchentlichen Bürostunden in dieser Hierarchiestufe auf 20-30. Allerdings wird noch mindestens die gleiche Anzahl von Stunden oder deutlich mehr auf Golfplätzen, Empfängen, Kongressen und Lunch- und Dinnerveranstaltungen verballert. Damit ist ihr Sozialleben genauso dysfunktional wie das ihrer Sklaven, Unter- und Unteruntersklaven, mit dem kleinen Unterschied, daß sie sich besser selbst betrügen könnten, sie hätten eins. Die Kompensation von Managing Directors ist zum größten Teil von ihrem persönlichen Erfolg abhängig und kann gerne auf viele Millionen jährlich hinauslaufen. Manchmal werden aber auch gigantische Kompensationen erfolgsunabhängig gezahlt, weil bestimmte Geschäftskunden in anderen Bereichen des Investmentbankings für viel Umsatz sorgen, und der jeweilige Managing Director mit dem Vorstand so gut befreundet ist und bei seinem Abwandern zu einer anderen Bank auch ein Abwandern des Kunden befürchtet wird. Bei der Deutschen Bank haben diverse Managing Directors im Investmentbanking aus solchen Gründen mehr verdient als Ackermann selbst.
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Was ist Investmentbanking?
Montag, 23. Februar 2009, 11:18
Die ganze Welt redet über Investmentbanker und ihre Boni und wie sie die Welt kaputtmachen und sich gleichzeitig im Übermaß bereichern. Aber wenn ich jemanden auf der Straße frage: "Was ist Investmentbanking?" fällt die Antwort typischerweise dürftig aus. Und das ist berechtigt, denn das Berufsbild Investmentbanker gibt es nicht. Der Bereich Investmentbanking ist selbst innerhalb der verschiedenen Banken unterschiedlich definiert und unterschiedliche Abteilungen werden dem Investmentbanking zugeordnet.
Die einfachste Erklärung ist die negative: Wenn sich eine Bank mit dem Verwalten der Gelder von Anlegern und dem Verwalten von Krediten von Kreditnehmern beschäftigt (und dabei hoffentlich eine kleine Marge verdient), dann ist das das "normale" Bankgeschäft. Alles andere ist Investmentbanking.
Die historische Erklärung ergibt sich daraus, daß die normalen Geschäftsbanken im angelsächsischen Raum ursprünglich nichts mit der Börse zu tun haben durften. Sie durften keine Börsengänge konzertieren, sie durften nicht plazieren, sie durften nicht handeln. Sie waren als "commercial banks" auf das Leihen und Verleihen von Geld beschränkt. Die "investment banks" Goldman Sachs, Lehman, Morgan Stanley etc. hingegen durften Aktien plazieren, bei Börsengängen beraten, Aktien (zwischenzeitlich) auf die eigenen Bücher nehmen, etc. Sie durften aber nicht geschäftlich leihen und verleihen. Nach dieser Definition war ein Investmentbanker jemand, der für eine Investmentbank gearbeitet hat. Diese Definition blieb auch gängig, nach dem die Deregulierungsmaßnahmen der 80er und 90er dazu führten, daß die regulativen Grenzen zwischen "investment banks" und "commercial banks" ziemlich verschwammen. Mit komischen Auswirkungen: So hat sich auch kürzlich noch ein für Goldman Sachs arbeitender Banker, der für die Betreuung reicher alter Damen zuständig war (die Privatkundenbänker sind die, deren Kompetenz sich tendenziell auf die Wahl der richtigen Maßschneider und der richtigen Schuhcreme beschränkt), voller Stolz selbst als Investmentbanker bezeichnet.
Heute umfaßt in modernen Großbanken der Bereich "Investmentbanking", der üblicherweise meistens auch "Corporate Finance" genannt wird, fünf oder sechs sehr unterschiedliche Tätigkeitsfelder (und natürlich nicht die Privatkundenbetreuung): Structured Finance, Derivates, Trade, Equities Capital Markets, Mergers & Acquisitions. Diese Bereiche werden in vielen Firmen auch weiter aufgeteilt.
Im Bereich "Structured Finance", helfen die Banker den Firmenkunden dabei, Finanzierungen für Großprojekte zu strukturieren, aber auch existierende Finanzierungspakete durch neue zu ersetzen. Dazu gehören häufig verschiedenste Finanzierungsarten: voll besicherte Kredite, nachrangig besicherte Kredite, Anleihen an den Kapitalmärkten, Emission von (Vorzugs-)aktien und alle denkbaren Hybridformen. Je nach Marktumfeld und Leitzinsen können die unterschiedlichsten Pakete und Strukturen mehr oder weniger attraktiv sein beziehungsweise durch mehr oder weniger attraktive andere Strukturen abgelöst werden. Bestimmte Teilaufgabenbereiche und Spezialisierungen haben sich hier herausgebildet: Der Bereich "Leveraged Finance", die Finanzierung des Kaufs von anderen Firmen (ganz oder teilweise mit Fremdkapital), und der Bereich "Project Finance" wären hier besonders zu nennen. "Project Finance" beschäftigt sich insbesondere mit der Finanzierung von Infrastrukturprojekten wie zum Beispiel Kraftwerken, Autobahnen, Flughäfen usw. Solche Projekte haben typischerweise sehr langfristig abgesicherte Cash Flows, weswegen sie über sehr viel längere Zeiträume finanziert werden. Der Bereich "structured finance" ist der Teil des Investmentbankings, in dem noch am ehesten klassische Banker Kompetenzen zum Tragen kommen.
Der Bereich "Derivates" stellt Firmen (und noch häufiger Fonds und anderen Banken) Produkte zur Verfügung, mit denen sie sich gegen Risiken absichern können sollen ("hedging"). Das reicht von der Absicherung gegen Währungsrisiken über die Absicherung gegen die Fluktuation von Rohstoffpreisen oder die Fluktuation von Aktienpreisen bis hin zu komplexen Absicherungen gegen Forderungs- und Kreditausfallrisiken. Dadurch daß Banken diese Produkte entwickeln und standardisieren und damit handelbar machen, geben sie einzelnen Unternehmen die Möglichkeit, sich vor Ereignissen zu schützen, die außerhalb ihres Einflußbereichs liegen. Das funktioniert statistisch ähnlich wie eine Versicherung. Bei den "Derivates" sitzen die "Whizz-Kids", die besonders cleveren Kerlchen, die sich Produkte ausdenken, die die Konkurrenz noch nicht hat. Über die systemisch toxischen und apokalyptischen Gefahren, die in diesem Geschäftsbereich für die Welt entstanden sind, wird in einem späteren Text zu reden sein.
Am berühmten "Trade Desk" einer jeden Bank sitzen die Händler. Während diese ursprünglich nur im direkten Auftrag von den Kunden der Bank Aktien, -optionen, Zertifikate, Rohstoffe, Gold, Rentenpapiere etc. gekauft und verkauft haben, sind alle Großbanken im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte dazuübergegangen, auch massiv auf eigene Rechnung zu handeln. Das liegt insbesondere daran, daß die Ertragsmöglichkeiten aus dem Arbitragegeschäft (Damit meint man das gleichzeitige Kaufen und Verkaufen desselben Papiers, das an unterschiedlichen Börsen zu minimal unterschiedlichen Preisen gehandelt wird) sehr hoch sind, aber nur über extrem hohe Handelsvolumina genutzt werden können. Außerdem haben die Banken für ihre Kunden massiv in die Analyse von börsennotierten Unternehmen investiert (siehe auch unten). Dieser Wissensvorsprung ist sehr teuer und sollte sich natürlich über die Nutzung beim Handel mit Aktien solcher Unternehmen eine zusätzliche Rendite abwerfen. Weil die Renditen in diesem Bereich "Trading" so hoch waren, haben hier die besonders erfolgreichen Leistungsträger auch die mit Abstand höchsten Vergütungen im ganzen Investmentbanking bekommen, um sicherzustellen, daß sie nicht zur Konkurrenz abwanderten. Was das Anforderungsprofil eines Traders betrifft, so sind alle Kompetenzen, die in anderen Bereichen des Investmentbankings hilfreich sein können, völlig überflüssig: Es zählen nur Schnelligkeit, Robustheit, extrem gute Nerven, Fähigkeit zum Multitasken, und gute Intuition.
Die Abteilung "Equity Capital Markets" berät Firmenkunden bei Börsengängen, Kapitalerhöhungen, Emissionsstrategien etc. Während die Beratungshonorare in diesem Bereich den eher kleineren Teil des Reibachs für die Banken ausmachen, ist für die Bank richtig Musik darin, in einem steigenden Markt die neu emittierten Papiere erst auf die eigenen Bücher zu nehmen und dann zu höheren Preisen zu vermarkten. Deswegen befinden sich Banken, die sowohl die "Beratung" als auch das "book running" anbieten, in einem natürlichen Interessenskonflikt: Im Interesse des Kundens sollten sie den höchst möglichen Emissionspreis festlegen, der noch zu einem erfolgreichen Börsengang führen kann. Im eigenen Interesse werden sie aber versuchen, den Kunden von einem niedrigeren Ausgabepreis zu überzeugen, damit mehr Platz für die eigene Marge bleibt.
Die sogenannte Königsdisziplin des Investmentbankings ist der Bereich "Mergers and Acquisitions" oder auch "M&A", deutsch: Fusionen und Übernahmen. Dieser Bereich hat tatsächlich überhaupt nichts mit Banking zu tun, aber auch rein gar nichts. M&A-Banker sind Berater, Heiratsvermittler, Prozess-Manager. Sie helfen ihren Kunden dabei, anorganisches Unternehmenswachstum über Fusionen oder Übernahmen zu planen, zu konzeptionalisieren, die Übernahmekandidaten anzusprechen, eventuelle Verkaufsbereitschaft zu eruieren, Verhandlungen zu koordinieren und den Übernahmeprozess selbst zu managen. Auf der anderen Seite helfen Sie Firmeneigentümern beim Verkauf von Unternehmen oder Unternehmensteilen, wenn dies im Rahmen einer Restrukturierung erforderlich ist. M&A Banking wird deswegen als Königsdisziplin bezeichnet, weil es die höchste Prominenz bei den Kunden genießt: Während die anderen Banker in ihren Gesprächen nie weiter als bis zum Finanzvorstand kommen, werden die M&A Entscheidungen typischerweise immer zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden getroffen. M&A Banker brauchen wie Trader keine Bank-spezifische Ausbildung. Allerdings müssen sie sehr hohe quantitative und analystische Fähigkeiten mitbringen, überhaupt keine Toleranz für Fehler haben, und eine hohe Leidensfähigkeit um die absurden Arbeitszeiten auszuhalten. Auf höherer Ebene kommt es für den Erfolg von M&A Bankern in erster Linie auf ihr Netzwerk (ihr Adressbuch) und ihre Transaktionserfahrung an.
In den 70ern hat die Investmentbank Salomon Brothers in New York angefangen, eigene "Research Reports" über börsennotierte Unternehmen herauszugeben. Mit diesen Reports wurden die Kauf- beziehungsweise Verkaufsempfehlungen an ihre Kunden unterlegt. Mittlerweile unterhält jede Großbank eigene Abteilungen mit "Research Analysts", die solche Reports verfassen und kontinuierlich dieselben Firmen beziehungsweise dieselben Branchen betreuen und sich extrem hohes Expertenwissen aneignen (aus Bankperspektive). Ob diese Abteilungen dem Investmentbanking zugerechnet werden, ist Ansichtssache, aber sie sind zumindest von Investmentbanken erfunden worden. Es ist sicher fragwürdig, daß die weltweite Finanz Community ihre Entscheidungen, Aktien zu kaufen oder zu verkaufen, häufig auf Informationen basiert, die von Banken stammen, die von dem Handel mit diesen Aktien direkt profitieren. Noch problematischer ist aber, daß sich die analysierten Unternehmen häufig in symbiotischen Beziehungen mit den analysierenden Banken befinden und wechselseitig insbesondere auch vom Erfolg des Aktienkurses profitieren. Ich glaube, daß die derzeitigen globalen Regulierungsbemühungen hier an erster Stelle ansetzen sollten: Das gesamte Research und Rating System sollte vollständig und kategorisch von dem Rest der Finanzindustrie getrennt werden.
Die einfachste Erklärung ist die negative: Wenn sich eine Bank mit dem Verwalten der Gelder von Anlegern und dem Verwalten von Krediten von Kreditnehmern beschäftigt (und dabei hoffentlich eine kleine Marge verdient), dann ist das das "normale" Bankgeschäft. Alles andere ist Investmentbanking.
Die historische Erklärung ergibt sich daraus, daß die normalen Geschäftsbanken im angelsächsischen Raum ursprünglich nichts mit der Börse zu tun haben durften. Sie durften keine Börsengänge konzertieren, sie durften nicht plazieren, sie durften nicht handeln. Sie waren als "commercial banks" auf das Leihen und Verleihen von Geld beschränkt. Die "investment banks" Goldman Sachs, Lehman, Morgan Stanley etc. hingegen durften Aktien plazieren, bei Börsengängen beraten, Aktien (zwischenzeitlich) auf die eigenen Bücher nehmen, etc. Sie durften aber nicht geschäftlich leihen und verleihen. Nach dieser Definition war ein Investmentbanker jemand, der für eine Investmentbank gearbeitet hat. Diese Definition blieb auch gängig, nach dem die Deregulierungsmaßnahmen der 80er und 90er dazu führten, daß die regulativen Grenzen zwischen "investment banks" und "commercial banks" ziemlich verschwammen. Mit komischen Auswirkungen: So hat sich auch kürzlich noch ein für Goldman Sachs arbeitender Banker, der für die Betreuung reicher alter Damen zuständig war (die Privatkundenbänker sind die, deren Kompetenz sich tendenziell auf die Wahl der richtigen Maßschneider und der richtigen Schuhcreme beschränkt), voller Stolz selbst als Investmentbanker bezeichnet.
Heute umfaßt in modernen Großbanken der Bereich "Investmentbanking", der üblicherweise meistens auch "Corporate Finance" genannt wird, fünf oder sechs sehr unterschiedliche Tätigkeitsfelder (und natürlich nicht die Privatkundenbetreuung): Structured Finance, Derivates, Trade, Equities Capital Markets, Mergers & Acquisitions. Diese Bereiche werden in vielen Firmen auch weiter aufgeteilt.
Im Bereich "Structured Finance", helfen die Banker den Firmenkunden dabei, Finanzierungen für Großprojekte zu strukturieren, aber auch existierende Finanzierungspakete durch neue zu ersetzen. Dazu gehören häufig verschiedenste Finanzierungsarten: voll besicherte Kredite, nachrangig besicherte Kredite, Anleihen an den Kapitalmärkten, Emission von (Vorzugs-)aktien und alle denkbaren Hybridformen. Je nach Marktumfeld und Leitzinsen können die unterschiedlichsten Pakete und Strukturen mehr oder weniger attraktiv sein beziehungsweise durch mehr oder weniger attraktive andere Strukturen abgelöst werden. Bestimmte Teilaufgabenbereiche und Spezialisierungen haben sich hier herausgebildet: Der Bereich "Leveraged Finance", die Finanzierung des Kaufs von anderen Firmen (ganz oder teilweise mit Fremdkapital), und der Bereich "Project Finance" wären hier besonders zu nennen. "Project Finance" beschäftigt sich insbesondere mit der Finanzierung von Infrastrukturprojekten wie zum Beispiel Kraftwerken, Autobahnen, Flughäfen usw. Solche Projekte haben typischerweise sehr langfristig abgesicherte Cash Flows, weswegen sie über sehr viel längere Zeiträume finanziert werden. Der Bereich "structured finance" ist der Teil des Investmentbankings, in dem noch am ehesten klassische Banker Kompetenzen zum Tragen kommen.
Der Bereich "Derivates" stellt Firmen (und noch häufiger Fonds und anderen Banken) Produkte zur Verfügung, mit denen sie sich gegen Risiken absichern können sollen ("hedging"). Das reicht von der Absicherung gegen Währungsrisiken über die Absicherung gegen die Fluktuation von Rohstoffpreisen oder die Fluktuation von Aktienpreisen bis hin zu komplexen Absicherungen gegen Forderungs- und Kreditausfallrisiken. Dadurch daß Banken diese Produkte entwickeln und standardisieren und damit handelbar machen, geben sie einzelnen Unternehmen die Möglichkeit, sich vor Ereignissen zu schützen, die außerhalb ihres Einflußbereichs liegen. Das funktioniert statistisch ähnlich wie eine Versicherung. Bei den "Derivates" sitzen die "Whizz-Kids", die besonders cleveren Kerlchen, die sich Produkte ausdenken, die die Konkurrenz noch nicht hat. Über die systemisch toxischen und apokalyptischen Gefahren, die in diesem Geschäftsbereich für die Welt entstanden sind, wird in einem späteren Text zu reden sein.
Am berühmten "Trade Desk" einer jeden Bank sitzen die Händler. Während diese ursprünglich nur im direkten Auftrag von den Kunden der Bank Aktien, -optionen, Zertifikate, Rohstoffe, Gold, Rentenpapiere etc. gekauft und verkauft haben, sind alle Großbanken im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte dazuübergegangen, auch massiv auf eigene Rechnung zu handeln. Das liegt insbesondere daran, daß die Ertragsmöglichkeiten aus dem Arbitragegeschäft (Damit meint man das gleichzeitige Kaufen und Verkaufen desselben Papiers, das an unterschiedlichen Börsen zu minimal unterschiedlichen Preisen gehandelt wird) sehr hoch sind, aber nur über extrem hohe Handelsvolumina genutzt werden können. Außerdem haben die Banken für ihre Kunden massiv in die Analyse von börsennotierten Unternehmen investiert (siehe auch unten). Dieser Wissensvorsprung ist sehr teuer und sollte sich natürlich über die Nutzung beim Handel mit Aktien solcher Unternehmen eine zusätzliche Rendite abwerfen. Weil die Renditen in diesem Bereich "Trading" so hoch waren, haben hier die besonders erfolgreichen Leistungsträger auch die mit Abstand höchsten Vergütungen im ganzen Investmentbanking bekommen, um sicherzustellen, daß sie nicht zur Konkurrenz abwanderten. Was das Anforderungsprofil eines Traders betrifft, so sind alle Kompetenzen, die in anderen Bereichen des Investmentbankings hilfreich sein können, völlig überflüssig: Es zählen nur Schnelligkeit, Robustheit, extrem gute Nerven, Fähigkeit zum Multitasken, und gute Intuition.
Die Abteilung "Equity Capital Markets" berät Firmenkunden bei Börsengängen, Kapitalerhöhungen, Emissionsstrategien etc. Während die Beratungshonorare in diesem Bereich den eher kleineren Teil des Reibachs für die Banken ausmachen, ist für die Bank richtig Musik darin, in einem steigenden Markt die neu emittierten Papiere erst auf die eigenen Bücher zu nehmen und dann zu höheren Preisen zu vermarkten. Deswegen befinden sich Banken, die sowohl die "Beratung" als auch das "book running" anbieten, in einem natürlichen Interessenskonflikt: Im Interesse des Kundens sollten sie den höchst möglichen Emissionspreis festlegen, der noch zu einem erfolgreichen Börsengang führen kann. Im eigenen Interesse werden sie aber versuchen, den Kunden von einem niedrigeren Ausgabepreis zu überzeugen, damit mehr Platz für die eigene Marge bleibt.
Die sogenannte Königsdisziplin des Investmentbankings ist der Bereich "Mergers and Acquisitions" oder auch "M&A", deutsch: Fusionen und Übernahmen. Dieser Bereich hat tatsächlich überhaupt nichts mit Banking zu tun, aber auch rein gar nichts. M&A-Banker sind Berater, Heiratsvermittler, Prozess-Manager. Sie helfen ihren Kunden dabei, anorganisches Unternehmenswachstum über Fusionen oder Übernahmen zu planen, zu konzeptionalisieren, die Übernahmekandidaten anzusprechen, eventuelle Verkaufsbereitschaft zu eruieren, Verhandlungen zu koordinieren und den Übernahmeprozess selbst zu managen. Auf der anderen Seite helfen Sie Firmeneigentümern beim Verkauf von Unternehmen oder Unternehmensteilen, wenn dies im Rahmen einer Restrukturierung erforderlich ist. M&A Banking wird deswegen als Königsdisziplin bezeichnet, weil es die höchste Prominenz bei den Kunden genießt: Während die anderen Banker in ihren Gesprächen nie weiter als bis zum Finanzvorstand kommen, werden die M&A Entscheidungen typischerweise immer zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden getroffen. M&A Banker brauchen wie Trader keine Bank-spezifische Ausbildung. Allerdings müssen sie sehr hohe quantitative und analystische Fähigkeiten mitbringen, überhaupt keine Toleranz für Fehler haben, und eine hohe Leidensfähigkeit um die absurden Arbeitszeiten auszuhalten. Auf höherer Ebene kommt es für den Erfolg von M&A Bankern in erster Linie auf ihr Netzwerk (ihr Adressbuch) und ihre Transaktionserfahrung an.
In den 70ern hat die Investmentbank Salomon Brothers in New York angefangen, eigene "Research Reports" über börsennotierte Unternehmen herauszugeben. Mit diesen Reports wurden die Kauf- beziehungsweise Verkaufsempfehlungen an ihre Kunden unterlegt. Mittlerweile unterhält jede Großbank eigene Abteilungen mit "Research Analysts", die solche Reports verfassen und kontinuierlich dieselben Firmen beziehungsweise dieselben Branchen betreuen und sich extrem hohes Expertenwissen aneignen (aus Bankperspektive). Ob diese Abteilungen dem Investmentbanking zugerechnet werden, ist Ansichtssache, aber sie sind zumindest von Investmentbanken erfunden worden. Es ist sicher fragwürdig, daß die weltweite Finanz Community ihre Entscheidungen, Aktien zu kaufen oder zu verkaufen, häufig auf Informationen basiert, die von Banken stammen, die von dem Handel mit diesen Aktien direkt profitieren. Noch problematischer ist aber, daß sich die analysierten Unternehmen häufig in symbiotischen Beziehungen mit den analysierenden Banken befinden und wechselseitig insbesondere auch vom Erfolg des Aktienkurses profitieren. Ich glaube, daß die derzeitigen globalen Regulierungsbemühungen hier an erster Stelle ansetzen sollten: Das gesamte Research und Rating System sollte vollständig und kategorisch von dem Rest der Finanzindustrie getrennt werden.
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