Exbanker
Was ist Investmentbanking?
Montag, 23. Februar 2009, 11:18
Die ganze Welt redet über Investmentbanker und ihre Boni und wie sie die Welt kaputtmachen und sich gleichzeitig im Übermaß bereichern. Aber wenn ich jemanden auf der Straße frage: "Was ist Investmentbanking?" fällt die Antwort typischerweise dürftig aus. Und das ist berechtigt, denn das Berufsbild Investmentbanker gibt es nicht. Der Bereich Investmentbanking ist selbst innerhalb der verschiedenen Banken unterschiedlich definiert und unterschiedliche Abteilungen werden dem Investmentbanking zugeordnet.

Die einfachste Erklärung ist die negative: Wenn sich eine Bank mit dem Verwalten der Gelder von Anlegern und dem Verwalten von Krediten von Kreditnehmern beschäftigt (und dabei hoffentlich eine kleine Marge verdient), dann ist das das "normale" Bankgeschäft. Alles andere ist Investmentbanking.

Die historische Erklärung ergibt sich daraus, daß die normalen Geschäftsbanken im angelsächsischen Raum ursprünglich nichts mit der Börse zu tun haben durften. Sie durften keine Börsengänge konzertieren, sie durften nicht plazieren, sie durften nicht handeln. Sie waren als "commercial banks" auf das Leihen und Verleihen von Geld beschränkt. Die "investment banks" Goldman Sachs, Lehman, Morgan Stanley etc. hingegen durften Aktien plazieren, bei Börsengängen beraten, Aktien (zwischenzeitlich) auf die eigenen Bücher nehmen, etc. Sie durften aber nicht geschäftlich leihen und verleihen. Nach dieser Definition war ein Investmentbanker jemand, der für eine Investmentbank gearbeitet hat. Diese Definition blieb auch gängig, nach dem die Deregulierungsmaßnahmen der 80er und 90er dazu führten, daß die regulativen Grenzen zwischen "investment banks" und "commercial banks" ziemlich verschwammen. Mit komischen Auswirkungen: So hat sich auch kürzlich noch ein für Goldman Sachs arbeitender Banker, der für die Betreuung reicher alter Damen zuständig war (die Privatkundenbänker sind die, deren Kompetenz sich tendenziell auf die Wahl der richtigen Maßschneider und der richtigen Schuhcreme beschränkt), voller Stolz selbst als Investmentbanker bezeichnet.

Heute umfaßt in modernen Großbanken der Bereich "Investmentbanking", der üblicherweise meistens auch "Corporate Finance" genannt wird, fünf oder sechs sehr unterschiedliche Tätigkeitsfelder (und natürlich nicht die Privatkundenbetreuung): Structured Finance, Derivates, Trade, Equities Capital Markets, Mergers & Acquisitions. Diese Bereiche werden in vielen Firmen auch weiter aufgeteilt.

Im Bereich "Structured Finance", helfen die Banker den Firmenkunden dabei, Finanzierungen für Großprojekte zu strukturieren, aber auch existierende Finanzierungspakete durch neue zu ersetzen. Dazu gehören häufig verschiedenste Finanzierungsarten: voll besicherte Kredite, nachrangig besicherte Kredite, Anleihen an den Kapitalmärkten, Emission von (Vorzugs-)aktien und alle denkbaren Hybridformen. Je nach Marktumfeld und Leitzinsen können die unterschiedlichsten Pakete und Strukturen mehr oder weniger attraktiv sein beziehungsweise durch mehr oder weniger attraktive andere Strukturen abgelöst werden. Bestimmte Teilaufgabenbereiche und Spezialisierungen haben sich hier herausgebildet: Der Bereich "Leveraged Finance", die Finanzierung des Kaufs von anderen Firmen (ganz oder teilweise mit Fremdkapital), und der Bereich "Project Finance" wären hier besonders zu nennen. "Project Finance" beschäftigt sich insbesondere mit der Finanzierung von Infrastrukturprojekten wie zum Beispiel Kraftwerken, Autobahnen, Flughäfen usw. Solche Projekte haben typischerweise sehr langfristig abgesicherte Cash Flows, weswegen sie über sehr viel längere Zeiträume finanziert werden. Der Bereich "structured finance" ist der Teil des Investmentbankings, in dem noch am ehesten klassische Banker Kompetenzen zum Tragen kommen.

Der Bereich "Derivates" stellt Firmen (und noch häufiger Fonds und anderen Banken) Produkte zur Verfügung, mit denen sie sich gegen Risiken absichern können sollen ("hedging"). Das reicht von der Absicherung gegen Währungsrisiken über die Absicherung gegen die Fluktuation von Rohstoffpreisen oder die Fluktuation von Aktienpreisen bis hin zu komplexen Absicherungen gegen Forderungs- und Kreditausfallrisiken. Dadurch daß Banken diese Produkte entwickeln und standardisieren und damit handelbar machen, geben sie einzelnen Unternehmen die Möglichkeit, sich vor Ereignissen zu schützen, die außerhalb ihres Einflußbereichs liegen. Das funktioniert statistisch ähnlich wie eine Versicherung. Bei den "Derivates" sitzen die "Whizz-Kids", die besonders cleveren Kerlchen, die sich Produkte ausdenken, die die Konkurrenz noch nicht hat. Über die systemisch toxischen und apokalyptischen Gefahren, die in diesem Geschäftsbereich für die Welt entstanden sind, wird in einem späteren Text zu reden sein.

Am berühmten "Trade Desk" einer jeden Bank sitzen die Händler. Während diese ursprünglich nur im direkten Auftrag von den Kunden der Bank Aktien, -optionen, Zertifikate, Rohstoffe, Gold, Rentenpapiere etc. gekauft und verkauft haben, sind alle Großbanken im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte dazuübergegangen, auch massiv auf eigene Rechnung zu handeln. Das liegt insbesondere daran, daß die Ertragsmöglichkeiten aus dem Arbitragegeschäft (Damit meint man das gleichzeitige Kaufen und Verkaufen desselben Papiers, das an unterschiedlichen Börsen zu minimal unterschiedlichen Preisen gehandelt wird) sehr hoch sind, aber nur über extrem hohe Handelsvolumina genutzt werden können. Außerdem haben die Banken für ihre Kunden massiv in die Analyse von börsennotierten Unternehmen investiert (siehe auch unten). Dieser Wissensvorsprung ist sehr teuer und sollte sich natürlich über die Nutzung beim Handel mit Aktien solcher Unternehmen eine zusätzliche Rendite abwerfen. Weil die Renditen in diesem Bereich "Trading" so hoch waren, haben hier die besonders erfolgreichen Leistungsträger auch die mit Abstand höchsten Vergütungen im ganzen Investmentbanking bekommen, um sicherzustellen, daß sie nicht zur Konkurrenz abwanderten. Was das Anforderungsprofil eines Traders betrifft, so sind alle Kompetenzen, die in anderen Bereichen des Investmentbankings hilfreich sein können, völlig überflüssig: Es zählen nur Schnelligkeit, Robustheit, extrem gute Nerven, Fähigkeit zum Multitasken, und gute Intuition.

Die Abteilung "Equity Capital Markets" berät Firmenkunden bei Börsengängen, Kapitalerhöhungen, Emissionsstrategien etc. Während die Beratungshonorare in diesem Bereich den eher kleineren Teil des Reibachs für die Banken ausmachen, ist für die Bank richtig Musik darin, in einem steigenden Markt die neu emittierten Papiere erst auf die eigenen Bücher zu nehmen und dann zu höheren Preisen zu vermarkten. Deswegen befinden sich Banken, die sowohl die "Beratung" als auch das "book running" anbieten, in einem natürlichen Interessenskonflikt: Im Interesse des Kundens sollten sie den höchst möglichen Emissionspreis festlegen, der noch zu einem erfolgreichen Börsengang führen kann. Im eigenen Interesse werden sie aber versuchen, den Kunden von einem niedrigeren Ausgabepreis zu überzeugen, damit mehr Platz für die eigene Marge bleibt.

Die sogenannte Königsdisziplin des Investmentbankings ist der Bereich "Mergers and Acquisitions" oder auch "M&A", deutsch: Fusionen und Übernahmen. Dieser Bereich hat tatsächlich überhaupt nichts mit Banking zu tun, aber auch rein gar nichts. M&A-Banker sind Berater, Heiratsvermittler, Prozess-Manager. Sie helfen ihren Kunden dabei, anorganisches Unternehmenswachstum über Fusionen oder Übernahmen zu planen, zu konzeptionalisieren, die Übernahmekandidaten anzusprechen, eventuelle Verkaufsbereitschaft zu eruieren, Verhandlungen zu koordinieren und den Übernahmeprozess selbst zu managen. Auf der anderen Seite helfen Sie Firmeneigentümern beim Verkauf von Unternehmen oder Unternehmensteilen, wenn dies im Rahmen einer Restrukturierung erforderlich ist. M&A Banking wird deswegen als Königsdisziplin bezeichnet, weil es die höchste Prominenz bei den Kunden genießt: Während die anderen Banker in ihren Gesprächen nie weiter als bis zum Finanzvorstand kommen, werden die M&A Entscheidungen typischerweise immer zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden getroffen. M&A Banker brauchen wie Trader keine Bank-spezifische Ausbildung. Allerdings müssen sie sehr hohe quantitative und analystische Fähigkeiten mitbringen, überhaupt keine Toleranz für Fehler haben, und eine hohe Leidensfähigkeit um die absurden Arbeitszeiten auszuhalten. Auf höherer Ebene kommt es für den Erfolg von M&A Bankern in erster Linie auf ihr Netzwerk (ihr Adressbuch) und ihre Transaktionserfahrung an.

In den 70ern hat die Investmentbank Salomon Brothers in New York angefangen, eigene "Research Reports" über börsennotierte Unternehmen herauszugeben. Mit diesen Reports wurden die Kauf- beziehungsweise Verkaufsempfehlungen an ihre Kunden unterlegt. Mittlerweile unterhält jede Großbank eigene Abteilungen mit "Research Analysts", die solche Reports verfassen und kontinuierlich dieselben Firmen beziehungsweise dieselben Branchen betreuen und sich extrem hohes Expertenwissen aneignen (aus Bankperspektive). Ob diese Abteilungen dem Investmentbanking zugerechnet werden, ist Ansichtssache, aber sie sind zumindest von Investmentbanken erfunden worden. Es ist sicher fragwürdig, daß die weltweite Finanz Community ihre Entscheidungen, Aktien zu kaufen oder zu verkaufen, häufig auf Informationen basiert, die von Banken stammen, die von dem Handel mit diesen Aktien direkt profitieren. Noch problematischer ist aber, daß sich die analysierten Unternehmen häufig in symbiotischen Beziehungen mit den analysierenden Banken befinden und wechselseitig insbesondere auch vom Erfolg des Aktienkurses profitieren. Ich glaube, daß die derzeitigen globalen Regulierungsbemühungen hier an erster Stelle ansetzen sollten: Das gesamte Research und Rating System sollte vollständig und kategorisch von dem Rest der Finanzindustrie getrennt werden.

Kommentieren