Derivate
Samstag, 28. Februar 2009, 21:42
Es gibt drei Faktoren, die für Finanz- und Wirtschaftskrise verantwortlich zeichnen.
Auf individueller Ebene sind das die Investmentbanker. Wenn aus dieser Gruppe auch nur wenige so verbrecherisch gehandelt haben, daß sie strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können, so haben doch alle Investmentbanker aus übermäßiger Profitgier aktiv und wissentlich in einem System mitgearbeitet, das finanzielle Profite entkoppelt hat von nach- und substanzhaltiger Entwicklung echter Wirtschaftskraft. So individuell fragwürdig es aber auch ist, seine Lebensarbeitszeit einem solchen System zu widmen, so wenig hilfreich ist es, gesellschaftspolitisch mit dem Finger auf die bösen Investmentbanker zu zeigen: Sie sind nicht mehr als ein Symptom für Schwächen im System, die reformiert werden müssen.
Auf gesellschaftlicher Ebene ist (besonders stark in angelsächsischen Räumen) der Konsumethos hervorzuheben. So beschönigend es klingen mag, handelt es sich um die größte Gefahr für unsere globale Volkswirtschaft: Ein Gesellschaftsethos, wonach der schuldenfinanzierte Konsum nicht nur toleriert, sondern geradezu gefördert wird, ist deswegen so unbeschränkt gefährlich, weil er regulativ kaum zu kontrollieren ist. Ich spreche von Konsumethos und nicht von Konsumterror, weil der Genuß und die Lust am Konsum und die Abneigung gegen Sparsamkeit in unseren Mediengesellschaften als ethisch vertretbare Haltungen gesehen werden. Wer von Konsumterror spricht, will damit typischerweise nur die eigene Konsumlust kaschieren, in dem er Dritten oder dem System dafür die Schuld gibt.
Auf finanztechnischer Ebene sind das die sogenannten Derivate. Warren Buffet hat sie zu Recht vor einigen Jahren als Massenvernichtungswaffen bezeichnet ( http://www.valueinvesting.de/aktionaersbrief-2002-08.htm ). Während diese „Weapons of Mass Desctruction“ sich in der jetzigen Krise in einem schlimmen Ausmaß materialisiert haben, halte ich sie für langfristig für kontrollier- und regulierbar. Wie im Beitrag „Was ist Investmentbanking?“ ( http://exbanker.blogger.de/stories/1344829/ ) angekündigt, möchte ich einen Versuch wagen, Entstehung und Natur von Derivaten einmal so zu erklären, daß sie auch von Nicht-Investmentbankern verstanden werden können.
Wie das Wort schon sagt, handelt es sich bei Derivaten um Abwandlungen oder Variationen von „echten Dingen“. Bei diesen „echten Dingen“ handelte es sich auf den Märkten ursprünglich um Aktien (also Unternehmensanteile), Anleihen (Schuldverschreibungen von Staaten oder Unternehmen), Rohstoffe (Getreide, Kupfer, Öl etc.) und Devisen (Währungen).
Fast alle Firmen dieser Welt müssen Themen managen, die ihrer Kontrolle unterliegen, aber werden auch von Themen beeinflusst, die sich nicht kontrollieren können. Firmen können die Effizienz ihrer Produktionsprozesse managen, und wie gut das Brot schmeckt, das sie backen. Aber sie haben keinen Einfluß darauf, wie viel das Getreide kostet, das sie im nächsten Jahr kaufen müssen. Und selbst wenn sie wissen, wieviel U.S.-Dollar sie im nächsten Jahr für das Getreide ausgeben müssen, weil sie feste Verträge vereinbart haben, wissen sie immer noch nicht, wie viel Euros sie dafür ausgeben werden, weil sie nicht wissen wie sich die Wechselkurse entwicken.
Und weil viele dieser Firmen zu Investmentbankern gegangen sind mit der Bitte, ihnen bei der Absicherung gegen diese Unwägbarkeiten zu helfen, haben diese Investmentbanken Instrumente dafür erfunden. Wenn also Finanzvorstand Franz sichergehen wollte, daß er auch im nächsten Jahr für 1 Million Euros 1,3 Million Dollar kaufen kann, hat die Bank ihm einen „Future Contract“ (oder kurz: „Future“) angeboten. Dafür musste Franz vielleicht 4% zahlen, d.h. in diesem Fall 40.000 Euro. Aber das war es ihm wert, weil er sich so vor dem Risiko geschützt hat, das der Dollar im nächsten Jahr um mehr als 4% teurer würde. Mit diesem Instrument konnten die Finanzvorstände ihre Budgets besser planen, und die Firmen stabilisieren. Dieses Instrument war also durchaus im Interesse aller Beteiligten, einschließlich der Arbeitnehmer. Es war wie eine Versicherung gegen Feuer oder ein anderes ungeplantes Ereignis, was eine Firma zerstören kann, wenn sie sich nicht geschützt hat.
Wie aber kam dieser Preis von 4% zustande? In einem freien transparenten Markt, sollte dieser Preis die Wahrscheinlichkeit widerspiegeln, daß es tatsächlich zu dieser Teuerung des U.S. Dollars kommt. Mit dieser Wahrscheinlichkeit meine ich natürlich nicht die echte, objektive Wahrscheinlichkeit, sondern die Wahrscheinlichkeit, die die jeweils subjektiv handelnden Marktteilnehmer im Durchschnitt dieser Teuerung zuschreiben. Diese Zuschreibung kommt dadurch zustande, daß andere Marktteilnehmer damit Geld verdienen könnten, wenn der Dollar um mehr als 4% steigt. Sie könnten dann mit ihren U.S. Dollars mehr Euros kaufen. Darauf schließen sie dann eine Wette ab. Und das Risiko, das sie mit dieser Wette eingehen, bestimmt die Prämie, mit der Finanzvorstand Franz sich gegen die Dollarteuerung absichert.
Am freien Markt bedeutet Preisbildung von Derivaten also immer eine wechselseitige Beziehung. Auf der einen Seite fürchtet sich einer vor dem Eintritt eines Ereignisses und zahlt eine Prämie dafür, um sich davor zu beschützen, auf der anderen Seite spekuliert jemand auf den Eintritt eines Ereignisses, und zahlt einen Wetteinsatz, um dann bei Ereigniseintritt davon zu profitieren. Prämie und Wetteinsatz sind voneinander abhängig.
So können Unternehmen sich davor schützen, daß Rohstoffe teurer werden, während anderer davon profitieren, wenn sie billiger werden, und Im- und Export-lastige Unternehmen können sich vor Währungsrisiken schützen.
Fortsetzung folgt.
Auf individueller Ebene sind das die Investmentbanker. Wenn aus dieser Gruppe auch nur wenige so verbrecherisch gehandelt haben, daß sie strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können, so haben doch alle Investmentbanker aus übermäßiger Profitgier aktiv und wissentlich in einem System mitgearbeitet, das finanzielle Profite entkoppelt hat von nach- und substanzhaltiger Entwicklung echter Wirtschaftskraft. So individuell fragwürdig es aber auch ist, seine Lebensarbeitszeit einem solchen System zu widmen, so wenig hilfreich ist es, gesellschaftspolitisch mit dem Finger auf die bösen Investmentbanker zu zeigen: Sie sind nicht mehr als ein Symptom für Schwächen im System, die reformiert werden müssen.
Auf gesellschaftlicher Ebene ist (besonders stark in angelsächsischen Räumen) der Konsumethos hervorzuheben. So beschönigend es klingen mag, handelt es sich um die größte Gefahr für unsere globale Volkswirtschaft: Ein Gesellschaftsethos, wonach der schuldenfinanzierte Konsum nicht nur toleriert, sondern geradezu gefördert wird, ist deswegen so unbeschränkt gefährlich, weil er regulativ kaum zu kontrollieren ist. Ich spreche von Konsumethos und nicht von Konsumterror, weil der Genuß und die Lust am Konsum und die Abneigung gegen Sparsamkeit in unseren Mediengesellschaften als ethisch vertretbare Haltungen gesehen werden. Wer von Konsumterror spricht, will damit typischerweise nur die eigene Konsumlust kaschieren, in dem er Dritten oder dem System dafür die Schuld gibt.
Auf finanztechnischer Ebene sind das die sogenannten Derivate. Warren Buffet hat sie zu Recht vor einigen Jahren als Massenvernichtungswaffen bezeichnet ( http://www.valueinvesting.de/aktionaersbrief-2002-08.htm ). Während diese „Weapons of Mass Desctruction“ sich in der jetzigen Krise in einem schlimmen Ausmaß materialisiert haben, halte ich sie für langfristig für kontrollier- und regulierbar. Wie im Beitrag „Was ist Investmentbanking?“ ( http://exbanker.blogger.de/stories/1344829/ ) angekündigt, möchte ich einen Versuch wagen, Entstehung und Natur von Derivaten einmal so zu erklären, daß sie auch von Nicht-Investmentbankern verstanden werden können.
Wie das Wort schon sagt, handelt es sich bei Derivaten um Abwandlungen oder Variationen von „echten Dingen“. Bei diesen „echten Dingen“ handelte es sich auf den Märkten ursprünglich um Aktien (also Unternehmensanteile), Anleihen (Schuldverschreibungen von Staaten oder Unternehmen), Rohstoffe (Getreide, Kupfer, Öl etc.) und Devisen (Währungen).
Fast alle Firmen dieser Welt müssen Themen managen, die ihrer Kontrolle unterliegen, aber werden auch von Themen beeinflusst, die sich nicht kontrollieren können. Firmen können die Effizienz ihrer Produktionsprozesse managen, und wie gut das Brot schmeckt, das sie backen. Aber sie haben keinen Einfluß darauf, wie viel das Getreide kostet, das sie im nächsten Jahr kaufen müssen. Und selbst wenn sie wissen, wieviel U.S.-Dollar sie im nächsten Jahr für das Getreide ausgeben müssen, weil sie feste Verträge vereinbart haben, wissen sie immer noch nicht, wie viel Euros sie dafür ausgeben werden, weil sie nicht wissen wie sich die Wechselkurse entwicken.
Und weil viele dieser Firmen zu Investmentbankern gegangen sind mit der Bitte, ihnen bei der Absicherung gegen diese Unwägbarkeiten zu helfen, haben diese Investmentbanken Instrumente dafür erfunden. Wenn also Finanzvorstand Franz sichergehen wollte, daß er auch im nächsten Jahr für 1 Million Euros 1,3 Million Dollar kaufen kann, hat die Bank ihm einen „Future Contract“ (oder kurz: „Future“) angeboten. Dafür musste Franz vielleicht 4% zahlen, d.h. in diesem Fall 40.000 Euro. Aber das war es ihm wert, weil er sich so vor dem Risiko geschützt hat, das der Dollar im nächsten Jahr um mehr als 4% teurer würde. Mit diesem Instrument konnten die Finanzvorstände ihre Budgets besser planen, und die Firmen stabilisieren. Dieses Instrument war also durchaus im Interesse aller Beteiligten, einschließlich der Arbeitnehmer. Es war wie eine Versicherung gegen Feuer oder ein anderes ungeplantes Ereignis, was eine Firma zerstören kann, wenn sie sich nicht geschützt hat.
Wie aber kam dieser Preis von 4% zustande? In einem freien transparenten Markt, sollte dieser Preis die Wahrscheinlichkeit widerspiegeln, daß es tatsächlich zu dieser Teuerung des U.S. Dollars kommt. Mit dieser Wahrscheinlichkeit meine ich natürlich nicht die echte, objektive Wahrscheinlichkeit, sondern die Wahrscheinlichkeit, die die jeweils subjektiv handelnden Marktteilnehmer im Durchschnitt dieser Teuerung zuschreiben. Diese Zuschreibung kommt dadurch zustande, daß andere Marktteilnehmer damit Geld verdienen könnten, wenn der Dollar um mehr als 4% steigt. Sie könnten dann mit ihren U.S. Dollars mehr Euros kaufen. Darauf schließen sie dann eine Wette ab. Und das Risiko, das sie mit dieser Wette eingehen, bestimmt die Prämie, mit der Finanzvorstand Franz sich gegen die Dollarteuerung absichert.
Am freien Markt bedeutet Preisbildung von Derivaten also immer eine wechselseitige Beziehung. Auf der einen Seite fürchtet sich einer vor dem Eintritt eines Ereignisses und zahlt eine Prämie dafür, um sich davor zu beschützen, auf der anderen Seite spekuliert jemand auf den Eintritt eines Ereignisses, und zahlt einen Wetteinsatz, um dann bei Ereigniseintritt davon zu profitieren. Prämie und Wetteinsatz sind voneinander abhängig.
So können Unternehmen sich davor schützen, daß Rohstoffe teurer werden, während anderer davon profitieren, wenn sie billiger werden, und Im- und Export-lastige Unternehmen können sich vor Währungsrisiken schützen.
Fortsetzung folgt.
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